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Watt en Schlick Fest 2017

Das Beste am Norden sind die liebevoll organisierten Festivals.

Varel/Dangast (sd)    Was braucht es für ein richtig gutes Festival? Eine gute Location? Check! Ein interessantes und buntes Line-Up? Check! Gutes, entspanntes Publikum? Check! Und eine Crew, die an einem Strang zieht, um das Fest für alle zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen? Doppel Check!

Moop Mama, die Münchener "Blaskapelle" liefert nun schon zum zweiten Mal einen gradiosen Auftritt beim Watt en Schlick Fest ab. Foto: Sven A. Droste

Man merkt schon, wir sind verliebt in diese Watt en Schlick Fest (Impressionen, Fotoübersicht) und das schon seit letztem Jahr. Verliebt in den Ort, die Menschen und die liebevolle Art, in der man dieses größte aller kleinen Festivals gestaltet. Die verschiedenen Bühnen, eine aus Paletten gezimmert und von dem unvergleichlichen Immo Wischhusen aka Flowin Immo gehostet, eine andere als Floss gebaut, mal schwimmend mal nicht, im Spiel der Gezeiten. Dazu die Hauptbühne mit Blick auf den Jadebusen, muss auch für die Künstler ein Vergnügen sein und nicht zuletzt das Zirkuszelt, das sich immer wieder in einen Hexenkessel verwandelt. Dazu das ganze Drumherum, die Stände, die Security-Truppe, alles freundlich und entspannt und das Festival-Merch ist handgemacht, einfach sehr einladend das Ganze.

Aber mal zur Hauptsache, der Musik. Ist doch die Hauptsache bei Festivals, oder?

Am Freitag fällt als erster Julian Philipp David (Fotos) mit seiner Band auf. Er spielt auf der Palette und lässt am frühen Nachmittag die Puppen tanzen. Naja, ein paar Jungs tanzen auch und es macht Spaß zu sehen, wie sich alle amüsieren. Songwriter-Rap, so heißt das? Ok. Is guter Junge, der Freiburger im pfälzischen Exil. Perfekt! Sonne, Strand und Meer, oder auch gerade nicht.

Saint (Fotos), der auf der Hauptbühne spielt hat eine etwas weitere Anreise. Mit 15 von Gambia aus mit einem Flüchtlingsboot über das Mittelmeer bis ins hohe Schweden und dann von dort aus auf die Bühnen der Welt und somit auch nach Dangst. Anfangs wirkt er noch etwas verloren auf der Bühne, seine Körpersprache lässt ihn sogar eingeschüchtert wirken. Woran auch immer das liegt, es legt sich und Mohammed Sillah alias Saint überzeugt mit souligem Hip Hop und funky Beats.

Der Berliner Produzent Suff Daddy (Fotos) spielt in der Champions League wenn es um Beats geht; beim Watt en Schlick Fest spielt er auf der Palette. Für die Shows zu seinem aktuellen Album Bird Songs geht er neue Wege. Zusammen mit seiner Liveband, den Lunch Birds lässt er am frühen Abend den Strand mit coolen Beats und instrumentalen Tracks tanzen.

Der Act des Abends im Zelt ist etwas weniger musikalisch, dafür aber urkomisch, wenn man auf den verschrobenen Humor des Trios Studio Braun (Fotos) steht. Die drei waren schon im letzten Jahr mit ihrer Fraktus Performance im Zelt zu Gast und immer ein Garant für gute Laune.

Jamie Lidell & The Royal Pharaos (Fotos), das ist der Act, der die Shows auf der Hauptbühne am Freitag abschließt. Eigentlich auch der heißeste Act des Tages. Mit der britischen Sänger, der kaum in eine Musikalische Schublade passen will, stehen einige Schwergewichte des Musik-Business auf der Bühne. Am Bass der ehemalige The Roots Bassist Owen Biddle oder Daru Jones, der unter anderem auch schon für Jack White getrommelt hat, garantieren mit ihren Kollegen für einen fetten, tighten Sound, in den sich Mr. Lidell mur noch legen muss. Der Wahlamerikaner, den es nach Nashville zog, präsentiert sich in Dangast von seiner allerfeinsten Seite. Die Energie und Hingabe, die er in seine Performance legt ist schon eine Ansage, an der sich andere messen lassen müssen, dazu schwebt, dank seiner souligen Stimme und seiner quirligen Art, der Geist von Marvin Gaye und Prince über dem Strand. Eine einzigartige Show an einem einzigartigen Ort.

Alice Phoebe Lou (Fotos) ist die erste Künstlerin, die wir am Samstag erleben. Die junge aus Kappstadt stammende Singer/Songwriterin versprüht ihren natürlichen Charme bei bestem Sommerwetter und strahlendem Sonnenschein und gibt ihre gefühlvollen bis poetischen Songs, aber auch ihre Geschichten aus der Welt und von der Straße an ihr begeistertes Publikum weiter.

Der Samstag steht ein Bisschen im Zeichen des Hip-Hop. Da sind die beiden Orsons, Bartek (Fotos) und Maeckes (Fotos), die ihre solo Sachen präsentieren, Megaloh (Fotos), der den Stand mit einer unglaublich sympathischen Show erobert und Ace Tee & Kwam.e (Fotos), die mit ihrer Tanz Crew das Zelt aufräumen. Aber den Preis für die Intensivste Show räumt auf jeden Fall Maeckes ab. Selten jemanden mit einer solchen Präsenz auf der Bühne erlebt, die Lust zu spielen strömt ihm aus jeder Pore, seine Show ist das was man einen amtlichen Abriss nennt. Dem nur wenig nach steht Flowin Immo, der im Sonnenuntergang seien legendäre Freestyle-Impro-Performance auf der Palette abfeiern lässt. Ein paar Stichworte, kurz was gesampelt und geloopt und los geht die wilde Fahrt. Es ist einfach kaum begreiflich, wie sich so viel Text spontan in diesem Hirn zusammen finden kann.

Während OK Kid (Fotos) auf der Hauptbühne ihren Auftritt absolvieren, der auf der einen Seite sehr gut und kraftvoll, aber auf der anderen etwas unnahbar und distanziert erscheint, ziehen sich im Westen so langsam dunkle Wolken zusammen. Und als Maeckes im Zelt und die junge Österreicherin Mavi Phoenix (Fotos) auf der Palette ihre Reime bringen, kündigt sich an, dass da was kommen wird. Kurze Zeit später wird Mavis Performance vorzeitig abgebrochen und die Palette Wetterfest gemacht. Wenige Minuten später wird das Festival offiziell unzerbrochen und das Gelände evakuiert. Man ist sich aber sicher, dass es weiter geht und der ganze Spuk, der ich mit Blitz und Donner am Horizont ankündigt, in etwa einer Stunde weitergezogen ist.

Der Wettergott ist mit dem Watt en Schlick, den irgendwie zieht das Gewitter um Dangast herum und es kommt nicht mehr als ein kräftiger Schauer runter aber sicher ist sicher. Etwa eine Stunde später wir das Gelände wieder geöffnet und gegen 24 Uhr geht das Festival mit dem Auftritt von Bilderbuch (Fotos) auf der Hauptbühne weiter. Zwar regnet nochmal kurz, aber von dem Bisschen lassen sich weder Band noch Publikum beeindrucken und verbringen eine großartige Show miteinander, quasi wie aus dem Bilderbuch.

Der Sonntag hat dann einige Highlights in petto. Die Mighty Rooks (Fotos) sind wieder da und spielen auf der Hauptbühne. Sie haben sich sozusagen hochgearbeitet, denn im letzten Jahr hatten sie ihren tollen auftritt noch im Zelt. Überhaupt haben sich die fünf aus Hamm seit der Zeit wo sie einige Support Shows für Kraftklub gespielt haben weiterentwickelt und an Bühnenpräsenz gewonnen und nicht nur die Mädels in der ersten Reihe sind begeistert von der Kapelle, die werden bei jedem Mal besser.

Nur wenig später stehen Neufundland (Fotos) auf der Palette und geben ihre Songs zum Besten. Irgendwo zwischen Deutsch-Pop und US-punk könnte man die Kölner einschubladen, aber das ist eigentlich nicht notwendig, denn Schubladen brauch nur wer wegsortieren und nicht zuhören will.

Mitten im Meer, mit ohne Wasser, steht das sportlich Highlight des Tages an, die Deutsche Meisterschaft im Schlickrutschen (Fotos). Und wie so oft im Sport geht es auch hier schmutzig zu, aber offensichtlich und vor aller Augen, denn die Schlammschlacht gehört zum guten Ton beim Schlickrutschen. So nimmt also das schmutzige Geschäft seinen Lauf und in verschiedenen runden finden die Männer und Frauen ihre Meister und -rinnen auf den flutschigen Braun. Ein toller Spaß, aber kräfteraubend, was soll 's, der Schnaps danach heilt alle Wunden.

Die Abfahrt der Höchsten Eisenbahn (Fotos) verzögert sich durch das Schlickrutschen ein wenig, aber dann … Zeigen sich die Herren von der Bahn von ihrer besten Seite und schlendern mit einer schnodderigen Nonchalance durch Programm, das es eine Freude ist. Die Sonne scheint, der Himmel lacht und bestimmt wird alles gut. Und falls nicht, der Herr Weigt hat zur Sicherheit schon mal ein Bierchen auf Tasche, Vorbereitung ist doch alles.

Eigentlich alle, die an diesem Sonntag auf der Bühne stehen, genießen die Leichtigkeit des Tages. Für Jordan Price (Fotos), der vor den Immo Allstars (Fotos), auf der Palette spielt, scheint alles zu passen. Zumindest strahlt er bei seinem Auftritt eine Zufriedenheit aus, die sich auch auf sein Publikum überträgt. Und Immo, dessen Allstars etwas dünn besetzt sind, macht auch der Not eine Tugend und improvisiert auf Teufel komm raus. Diesmal ohne Loopmaschine, aber mit Band und seiner unglaublichen Kreativität, was das aneinanderreihen vom Worten angeht. Immo ist eine Bank, wenn es um Unterhaltung geht.

Na und dann ist da noch Die Heiterkeit (Fotos), die spielt im Zelt, vermutlich weil es keinen Keller gab. Nein, mal im Ernst, da mögen die Kritiker noch so viele Lobeshymnen auf die Berliner Combo singen, ich versteh die Band einfach nicht. Wenn es jedoch einzig darum geht, mit der Bühnenpräsenz, der Mimik, dem Ausdruck und der Haltung, den Bandnamen zu konterkarieren, dann ist das Klassenziel erfüllt. Aber zum Glück sind die Geschmäcker verschieden und auch die Heiterkeit findet beim Watt en Schlick Fest ein dankbares Publikum.

Auf der Hauptbühne am Strand warten noch 2 Kracher auf das Publikum. Moop Mama (Fotos) und die Königin des Deutschen Soul, Joy Denalane (Fotos). Beide Auftritte versprechen groß zu werden.

Moop Mama, Urban Brass Band aus dem Süden der Republik. Urban Brass, was ist das eigentlich? Na, 'ne Blaskapelle mit 'nem Rapper, mal ganz platt gesagt. Aber platt, also flach ist das was die elfköpfige Truppe auf die Beine Stellt, nicht, eher Bundesliga, wie die Intro schreibt. Die Münchener haben ganz schön Dampf auf den Kesseln, das sie die Bühne einnehmen und die Songs von Ihrer Aktuellen Platte M.O.O.P.tapia, aber auch alte Sachen aus ihrer doch schon achtjährigen Bandgeschichte zum besten geben. Ein Highlight der Show ist mit Sicherheit, das Battle, das sich Keno Langbein, MC der Truppe, mit Wortakrobat Immo Wischhusen liefert. Wie das ausgeht? Einigen wir uns auf unentschieden. Moop Mama, zum zweiten Mal beim Watt en Schlick Fest, lassen auch 2017 den Strand in Dangast unter den Tanzenden Füssen beben. Danke, Das ihr wieder da wart.

Den Abschluss des Festivals versüßt uns dann noch Joy Denalane. Was kann man da eigentlich noch zu sagen? Gesegnet mit eine einzigartigen Soulstimme und einer unheimlich Charmanten Art, singt sich mit ihren neuen Songs vom Album Gleisdreieck in die Herzen und Seelen, aber auch in die Hüften und Füße der Strandläufer. Sie hat aber auch eine fette Band im Rücken, die Scrimali Brüder an Tasten und Schlagzeug. Philip Niessen an der Gitarre und Michael Paucker am Bass sorgen für den Sound und den Groove, der Joy durch den Abend trägt. Ein Wunderbarer Abschluss ein tolles Festivals.

Das Watt en Schlick Fest ist auch in der 2017er Edition ein voller Erfolg, der, wie die Veranstalter auch noch vor dem Letzten Auftritt betonnen, als sie alle Helfer noch auf die Bühne bitte, auf den Rücken und den Beinen und den Herzen von unheimlich vielen freiwilligen Helfern ruht, ohne die das Ganze wohl nicht zu stemmen ist. Auch wir danken Euch, für all die Arbeit und auch für die Freundlichkeit, mit der Ihr und durch die drei tage begleitet habt und allen eine schönen Zeit bereitet habt. Danke, wir können das nächste Jahr kaum erwarten. Ach ja, die ganzen Early Bird, beziehungsweise Früher Wattwurm Karten sind schon bis zu dritten Preisstufe ausverkauft, Vorschusslorbeeren, auf denen sich aber sicher keiner ausruhen wird.

PS: Das Watt en Schlick 2018 findet vom 3. Bis 5. August statt.  Be there ore be square!

(ph)


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