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Interview



Datum: 22.05.2016

Im Gespräch mit Aki Bosse

"Ich bin [bei Singles] immer das Umkehrorakel"

Dortmund (ml)    Bosse kommt bald auf das Campus Festival Bielefeld. Auf seiner Clubtour im Frühjahr hatten wir den sympathischen Musiker im Interview. Mit ihm sprachen wir über den Erfolg seines aktuellen Albums "Engtanz", über die "Leise Landung" und über seine coole Mittelfinger-Aktion gegen Rechts bei der Echo-Verleihung.

Wenn man eine Band hat sollte man bei der Auswahl der Singles nicht auf Aki Bosse hören. Unsere Meinung ist, dass man ihm bei allen anderen Sachen aber durchaus zuhören kann und auch sollte. Foto: Marcel Linke

Dein neues Album „Engtanz“ ist auf Platz 1 der Charts gegangen. Hat dich der Erfolg des Albums überrascht?

Bosse kommt am 23. Juni zum Campus Festival Bielefeld. Hier spielt er zusammen mit den Sportfreunde Stiller, Frittenbude, Moop Mama, RDGLDGRN uvm.

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Ja, natürlich. Ich habe zuerst meine Mutter und meinen Vater angerufen, als ich das erfahren habe. Das ist dann schon so, dass wir alle einer Meinung waren, wenn mir das jemand mit 12 oder 13 gesagt hätte, wäre ich damals auf der Stelle umgefallen. Ich stehe sonst eigentlich nicht so auf Zahlen und mir sind ganz viele Dinge mehr egal, als man es vielleicht denken würde. Gerade sowas, was den Erfolg angeht. Ich halte es immer noch damit, dass ich es gern mache und dass ich immer noch dankbar bin, dass ich das so machen kann. Aber bei manchen Sachen muss man ganz kurz innegehen und sich einfach freuen. Und das war bei der 1 eben wirklich so. Es heißt für mich einfach nur, dass es eine super treue Fanbasis gibt, die einfach ein Album und auch Konzerttickets kauft, ohne dass sie irgendwas gehört haben, außer vielleicht mal einen Song. Und ansonsten heißt es auch, dass man hinterher noch ein Album machen kann und weiter machen kann.

Bosse-Alben sind ja eigentlich insgesamt immer so gut, dass jeder Song für eine Singleauskopplung in Frage kommt. Was findest du an „Steine“ so besonders, dass es dieser Song sein musste, der das Album draußen auf den Radiostationen repräsentiert?
Bei Singles bin ich eigentlich immer raus. Bei „Kraniche“ war es beispielsweise so, dass ich „Schönste Zeit“ nicht auf dem Album haben wollte. „Schönste Zeit“ war bisher, was die Außenwirkung angeht, der erfolgreichste Song. Ohne den würde ich jetzt wahrscheinlich ganz viele Sachen auch nicht machen können. Ich bin da immer das Umkehrorakel. Wenn ich sage: Das ist jetzt richtig gut, dann funktioniert das nicht. Es ist eigentlich immer das Gegenteil von dem, was ich sage. Selbst, wenn du eine Band hättest und du würdest sagen: „Hey, das sind unsere 17 Songs. Welches sollen wir auf das Album packen? Was wird die Single?“. Nicht auf mich hören. So ist das auch bei „Steine“ gewesen. Ich wusste zwar, dass mir „Steine“ am Herzen liegt, aber am Ende haben das andere Leute entschieden. Und zwar so Leute, wie: Meine Frau, mein bester Freund, meine Band oder auch Leute aus meinem Management, die jetzt schon so viele Jahre dabei sind, die dann irgendwie sagen: „Dein Hurra“ ist eine Single, „Steine“ ist eine Single. Dann habe ich auch gesagt, „Steine“ ist doch gut. Ist doch Winter. Da kann man den Kopf mal ein bisschen hängen lassen oder vielleicht ein bisschen tiefer gehen. Im Frühjahr wird dann sowieso „Dein Hurra“ kommen und alles wird sich dann auch nochmal ändern.

Was wäre aus deiner Sicht die Single gewesen?
Wenn ich ganz ehrlich bin, hätte ich am liebsten mit „Ahoi Ade“ angefangen. Das ist der Song, der mich am meisten berührt. Oder vielleicht hätte ich auch „Immer so lieben“ oder „Nachttischlampe“ genommen. „Außerhalb der Zeit“ war auch so ein Favorit von mir mit dem ich gerne angefangen hätte.

Bist du im Nachhinein froh, dass dein Management damals „Schönste Zeit“ ausgesucht hat?
Ja, das waren vor allen Dingen mein Produzent und meine Frau. Die haben beide gesagt, ich wäre bescheuert, wenn ich das nicht veröffentliche. Manchmal ist man beim Arbeiten, ich immer, so tief in dieser ganzen Materie, dass man gar keine Chance mehr hat sich das von außen anzugucken. Und Musik hat so viel damit zu tun, dass man was hört und dabei was fühlt oder nicht. Und natürlich verlier ich irgendwann beim Arbeiten, spätestens beim Hi-Hat-Sound oder der Bass Drum, diesen Moment, den ich da mal hatte. Dann bin ich betriebsblind.

Du meintest, du bist erwachsener geworden mit dem Album?
Ja, das sagt die Bio. Die Bio schreibt ja immer ein Kumpel von mir und der kann das ja so machen. Also, es sind definitiv Themen, die ich mit 23 nicht hätte besingen können. Die Zeit habe ich jetzt auf dem Buckel. Das sind 13 Jahre, die ich älter geworden bin. Es gibt eine Nummer, in der ich noch so allein und auf der Suche bin und nicht so richtig weiter weiß, aber auch darauf musste ich erstmal hinarbeiten. Ansonsten sind es aber alles andere Themen, wie ich finde. Das ist schon ein Album, das hätte ich erst ab 30 schreiben können. Mit Tochter im Gepäck, mit einem richtigen zuhause. Es ist nicht mehr so streunernd. Meine anderen Alben waren immer so streunernd und so suchend. Ich habe mir viele Sachen immer von außen angeguckt, oder mich selber meistens. Und war irgendwie immer „Lost“ in irgendwas. Das habe ich dieses Mal total vermisst, weil ich darüber eigentlich so gerne schreibe.

Also ist das jetzt dein „Yippie-Yeah“-Moment der Musikgeschichte?
Ich bin eigentlich immer total froh, wenn ich überhaupt nochmal ein Album schreibe. Weil ich eben selber immer so kritisch bin, freue ich mir am Ende über jedes Album dermaßen den Ast ab. Das habe ich bisher aber bei jedem Album gehabt. Ich kann nicht sagen, ob es mein bestes oder mein schlechtestes Album ist, aber es ist eben meine Momentaufnahme und ich habe alles dafür getan und mich wirklich gequält, geblutet, geschwitzt und geheult, dafür dass das so ist, wie es ist. Viel mehr kann ich dann auch nicht tun.

Du hast vorhin schon den Stichpunkt „Lost“ genannt. In einer Textzeile singst du „Ich bin Lost, du bist Walter White.“. Das Tourleben ist ja bekanntermaßen anstrengend. Bist du unterwegs oder nach der Tour dann Serienjunkie?
Ich hinke insgesamt immer etwas hinterher, was den großen Vorteil bringt, dass man Sachen dann am Stück gucken kann. Also Box Sets kann ich gucken, weil ich immer sehr spät einsteige. Ich gucke dann auch nicht so viel.

Also Prime läuft bei dir einen kompletten Tag durch?
Ja, mittlerweile manchmal. Gerade auf Tour ist das gut, wenn man mal einen Off-Day hat und sich auch körperlich nicht mehr bewegen kann oder sich ein bisschen berieseln lassen will, finde ich ist es das Perfekte. Ansonsten halte ich es immer noch mit dem guten alten Buch. Ich lese eben mega viel. Ich habe zuhause noch nicht einmal einen Fernseher.

Was hast du zuletzt gelesen?
Ich habe jetzt gerade gelesen: „Der goldene Handschuh“ von Heinz Strunk, den ich sehr gut fand. Im Moment bin ich gerade wirklich bei der modernen Popliteratur angekommen. Jetzt lese ich gerade Benjamin von Stuckrad-Barre. Da bin ich gerade auf Seite 20. Habe ich mir gestern gekauft. Heute bin ich etwas weiter gekommen. „Panikherz“ heißt das. Ansonsten habe ich mir jetzt gerade den Roman von Ronja von Rönne gekauft, die ja das Sudelheft macht, also den Blog. Das Buch heißt „Wir kommen“. Das lese ich als nächstes. Ich bin gerade bei der jungen Generation.

Letztes Jahr warst du auf den Castivals mit dabei. Nun ist Casper bei „Krumme Symphonie“ auf deinem Album mit drauf. Wie kam zwischen euch beiden die Zusammenarbeit zustande?
Casper und ich haben uns vor vielen Jahren kennengelernt auf dem Uni-Fest in Gera. Und seitdem sind wir befreundet. Wir treffen uns. Wenn ich in Berlin bin hängen wir rum und wenn er in Hamburg ist, auch. Das lag seit Jahren schon auf der Hand, dass wir was zusammen machen. Ich hatte bloß kein Bock auf so eine Nummer, wo man den Hip-Hop-Rap-Teil in irgendwas rein quetscht, wo er nicht hinpasst. Das heißt, ich habe das Gefühl bei solchen Kooperationen: Bei schlecht gemachten kommt dieser Indie-Pop-Song und irgendwann kommt dann der schlecht gemachte Hip-Hop-Beat vom Indie-Pop-Produzenten, dann kommt der Hip Hopper drauf und dann passiert das so. Jetzt haben wir natürlich bei Casper den Vorteil, dass der auf alles rüber kann, weil er das sowieso immer schon macht, aber ich hatte irgendwie Bock auf einen richtigen Beat oder etwas, was so anmutet und irgendwann kam dann „Krumme Symphonie“ und da waren wir beide sofort der Meinung: Thema passt, Beat passt auch. Dann ist das so passiert.

Du warst zuletzt ja auch auf „Leise Landung“-Tour. Die war ja ein absoluter Erfolg. Ab einem gewissen Bekanntheitsgrad klopft ja auch gerne mal MTV an. War das bei euch schon der Fall?
Ja, wir haben darüber schonmal gesprochen. Aber ich halte das bei mir definitiv für zu früh. Ich finde es eine gute Sache. Eine zeitlang wusste ich gar nicht, dass es MTV überhaupt noch gibt. Ich habe da im Moment noch nicht so richtig den Sinn drin gesehen, warum wir das machen sollten. Ich finde, man sollte das so machen, wenn man mindestens fünf Hits hatte und ein wenig was auf dem Kerbholz. Ich habe bei mir manchmal das Gefühl, dass auch so eine Kooperation mit dem Goethe-Institut, wie zum Beispiel Konzerte in Israel oder Süd-Amerika, noch zu früh wäre. Da denke ich mir, ich möchte erstmal, dass 6.000 Leute in Cottbus kommen, bevor ich so etwas großes anfange. Ich fand die „Leise Landung“ so gut, für den Rahmen viel zu teuer eigentlich, weil wir viel zu viele Musiker waren und die Hallen viel zu viel gekostet haben. Wir haben da ordentlich miese gemacht. Trotzdem ist dabei eine DVD rumgekommen. Trotzdem halt erstmal ohne MTV. Das wollte ich erstmal ausprobieren.

Ich habe das Gefühl, dass du dich in letzter Zeit ziemlich viel ausprobiert hast. Auch in deinem Selbstfindungsprozess. Ich erinner mich noch an das Braunschweig-Minifestival mit Madsen und Tonbandgerät. Ist da nochmal etwas in die Richtung geplant?
Ja, ich bin da für alles offen. Bei mir ist es so, ich habe schon das Gefühl, dass die 90er vorbei sind, aber auf der anderen Seite habe ich immer wieder Lust auf Gitarre und ich habe dieses Mal mehr Gitarren spielen lassen als auf „Kraniche“. Ansonsten habe ich aber auf alles Bock. Ich habe nur keinen Bock mich zu wiederholen. Wenn ich das Gefühl habe, ich habe das eine jetzt schon zwei Jahre lang gemacht und das dann noch ein ganzes Jahr gespielt, dann muss ich immer wieder was komplett anderes machen, um es am Ende dann vielleicht doch nicht zu machen. Aber trotzdem muss ich erstmal das Gefühl haben, ich mache jetzt bald die Mega-Elektro-Platte, um sie am Ende dann doch nicht zu machen. Selbstverarsche nennt man das glaube ich.

Nochmal zur leisen Landung zurück. Du hast ja eine DVD und eine CD veröffentlicht. Auf der DVD ist das Konzert von Berlin drauf. Wieso hast du dich bei der CD auch ausgerechnet für Berlin entschieden und nicht für einen Zusammenschnitt mehrerer Konzerte?
Problem war, dass wir gar nicht so viel aufgenommen haben. Manchmal war es technisch nicht möglich. Dann waren die Filmaufnahmen sehr teuer. Das konnten wir nur in zwei Orten oder in drei Orten machen. Ich glaube, in Hannover haben wir noch aufgenommen. Dort hatten die fest installierte Kameras. In Hamburg war es zum Beispiel nicht erlaubt. Am Ende war dann Berlin übrig. Ich fand es dann schon gut, dass es nicht so zusammen gestückelt ist, weil man das natürlich auch in den verschiedenen Räumen gesehen hätte. Deswegen wollte ich dann für die DVD ein Konzert haben, was dann von vorne bis hinten läuft und auch da haben wir ein bis zwei Songs raus gelassen. Ich finde den Moment eines Konzertes voll gut. Deswegen haben wir auch bei der DVD davor die Hamburger Sporthalle genommen. Da hatten wir auch Berlin-Material. Das hätte man zusammenschneiden können, aber ich finde am Ende ist ein Konzert ein Konzert und nicht drei Konzerte.
Bei der CD finde ich es gut, dass man die Leute dann gleich behandelt. Das gibt es ja heutzutage, dass man das alles einzeln kaufen kann. Ich hätte es als Verarsche an den Leuten empfunden, wenn man sich jetzt die CD aus Berlin gekauft hätte und dann gibt es nochmal eine mit verschiedenen Konzerten. Es gibt ja wirklich Fans, die dann nochmal 30 Euro mehr ausgeben. Da kriegt man aber nicht so viel mehr für, außer dass es vielleicht schlechter gesungen ist irgendwo. Deswegen haben wir darauf verzichtet.

Wie war dein Feedback nach dem Echo, nachdem du den Rechten beide Mittelfinger gezeigt hast?
Wunderbar. Da gab es auf der einen Seite…

Beleidigte Frei.Wild-Fans?
Ja, es gab einen ordentlichen Shitstorm, angefangen von Beleidigungen auch zu Morddrohungen. Ich habe ja gegen Nazis geschimpft. Das ist dann ja normal, dass man auch mal eine Morddrohung kriegt. Fand ich aber auch alles nicht so spektakulär. Ansonsten haben sich alle Leute, mit denen ich gesprochen habe, gefreut. Da gab es großes Lob. Für viele war das, glaube ich, so weit die da musikalisch nichts mit anfangen konnten, ein Highlight des Abends. So war das aber gar nicht gemeint. Es war nur die Pflicht, wenn man ein guter Typ oder gutes Mädchen ist, sich politisch zu äußern.

Danke für das Interview.


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Datum: 22.05.2016

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