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Und schon wieder

Das Hurricane macht seinem Namen alle Ehre

Scheeßeler Seenplatte (ml)    Schon wieder hat das Hurricane Festival seinem Namen alle Ehre gemacht. Am letzten Wochenende ging das Festival im Norden Deutschlands über die Bühne. Neben Green Day, Linkin Park und Casper, war vor allem Regen der Headliner des diesjährigen Festivals.

78.000 Besucher ließen sich vom Regen nicht beeindrucken und feierten das Hurricane Festival. Foto: Bastian Sylvester

Eines vorweg. Glücklicherweise musste das Festival dieses Jahr nicht abgebrochen werden. Einziger Auftritt, der ausgefallen ist: Der Auftritt von Rapper Haftbefehl. Von "Den Eichenring nicht gefunden" bis "von der Polizei wegen Drogenbesitz inhaftiert" war hier jedes Gerücht mit dabei. Der Grund waren Flugverspätung und Stau. "Von der Polizei wegen Drogenbesitz inhaftiert" klingt allerdings irgendwie Gangster-Rapper-mäßig und deswegen verbleiben wir in der Hoffnung, dass dies der wahre Grund ist.


Tag 1: Ein Wiedersehen mit der Salty Dog Cruise-Crew

Kommen wir nun zum Wetter: Nass und matschig! Schon am Donnerstag kam ein ordentliches Unwetter in Scheeßel runter und verhinderte die rechtzeitige Öffnung der Campingplätze. Äste mussten aus dem Weg geräumt werden, die Feuerwehr stellte dem Rettungsdienst ein geländegängiges Fahrzeug für den Liegendtransport zur Verfügung. Gut, dass die Warmup-Party mit Montreal dennoch stattfinden konnte. Also alles nicht ganz so schlimm, wie im letzten Jahr, in dem das Hurricane Swim Team gegründet wurde. Dieses hat über das letzte Jahre auf dem Hurricane Festival einen Song geschrieben ("Am sichersten seid ihr im Auto"), der zur Eröffnung des Festivals von Büromitarbeitern des Veranstalters FKP und CampFM-Moderator Christoph Karrasch vorgeführt wurde.

Danach folgte auf der Green Stage das große Treffen der Salty Dog Cruise-2016-Giganten. Den Start machten Skinny Lister, die letztes Jahr auf der Kreuzfahrt von Flogging Molly dabei waren, mit ihrem Folk. Nach einem kurzen Danko Jones-Einschub geht es weiter mit Frank Turner & The Sleeping Souls. Sie haben Glück. Der Himmel ist zwar bewölkt, bleibt aber stabil und entläd den Regen, der noch in ihm steckt nicht über dem Konzert von Frank Turner, der seinen ins Wasser gefallenen Auftritt vom letzten Jahr nachholt. Gut auch für seinen Mundharmonika-Spieler und Bandroadie Jimmy, der so seinen 40. Geburtstag auf der Bühne feiern kann und auf Geheiß seines Chefs Stage Diven muss.

Direkt nach Frank Turner schließen sich Flogging Molly auf der Green Stage an. Neben wenigen Songs vom neuen Album gibt es vor allem die Klassiker der Band, wie "Drunken Lullabies" und "What's Left Of The Flag" auf die Ohren. Auch sie gratulieren Jimmy zum Geburtstag. Der Band merkt man die Spielfreude vom Hurricane Festival richtig an. Na klar, dieses Jahr haben 78.000 Leute ihren Weg auf das Festivalgelände gefunden. Von der Bühne aus, muss das jetzt schon am späten Nachmittag beeindruckend aussehen. Unter den vielen Leuten hat Nathen Maxwell wohl offensichtlich ein paar Freunde entdeckt und lässt sich ein Bad on der Menge nach dem Auftritt der Band nicht nehmen.

Die letzten im Bunde der Salty Dog Cruise-2016-Combo sind Rancid. Sie sind aktuell mit Green Day auf Tour und so ist es fast folgerichtig, dass sie auch auf dem Hurricane Festival am selben Tag spielen, wie die Jungs aus Oakland, California. Ebenso, wie Flogging Molly haben auch Rancid ein neues Album aufgenommen und spielen ebenso wie Flogging Molly hauptsächlich ihre Klassiker. Und natürlich darf "Ruby Soho" als Abschluss bei Rancid nicht fehlen. Leider setzt zu Rancid dann auch der Regen ein. Der hält sich zwar fürs erste nicht lange, ist aber umso stärker.

Krönender Abschluss und mit sehr viel Nieselregen bestückt sind dann Green Day für den ersten Abend des Hurricane Festivals. "Bohemian Rhapsody" von Queen und ein Animationshase, von dem bislang nicht bekannt ist, ob es sich nicht doch um Schlagzeuger Tré Cool handelt, kündigen die Band an. Die stürmen dann auch zu "Know Your Enemy" auf die Bühne und Billie Joe Armstrong, der sich in bester Spiellaune gibt, angesichts des riesigen Publikums vor der Hauptbühne, holt direkt seine erste Gastsängerin auf die Bühne.
Green Day machen live einfach Spaß. Von Klassiker, wie "Baske Case" und "When I Come Around", über "American Idiot" und "Boulevard of Brocken Dreams" bis hin zu neuen Songs, wie "Still Breathing" und "Revolution Radio": Die Band hat ihre spielerische Qualität jahrelang hoch gehalten und immer wieder neue Hymnen produziert.
Auf dem Hurricane Festival ist der Sound jedoch etwas zu leise gedreht. Vielleicht ist das auch besser so. Die Songs sind zwar stark und auch ein Medley mit "King For A Day / Shout / Alway Look On The Brightside Of Life / I Can't Get No Satisfaction / Hey Jude" macht Spaß. Die Billie Joe Armstrong-typischen "Heyhos" sind aber nochmal mehr geworden als auf den Hallenkonzerten und gehen doch ein wenig auf die Nerven. Was hingegen gut ankommt sind T-Shirt-Kanonen und bei vielen Leuten auch die Pyro des Konzertes. Nur einige wenige, die dem Konzert nicht beiwohnen, fragen besorgt bei den Sicherheitspersonen nach. 2 1/2 Stunden spielen Green Day, bevor sie mit Songs wie "Jesus Of Suburbia" und "Good Riddance" den ersten Abend des Hurricane Festivals auf der Green Stage gebührend beenden.


Tag 2: Es geht weiter mit Rockmusik und weniger Regen

Okay, die Sache mit dem "weniger Regen" in der Überschrift ist etwas gelogen. In der Nacht von Freitag auf Samstag regnet es nochmal heftig. Das Gelände verwandelt sich immer mehr und immer mehr in das Wattenmeer bei Ebbe. Hier und da fängt es auch schon an streng zu riechen und man hofft, dass diese Gerüche nur der Dünger ist, den der Bauer mal auf das Feld aufgetragen ist.

Wir kommen an, als sich Baroness auf der Green Stage mit Red Fang auf der Red Stage ein Battle darum liefert, welches die lauteste Bühne des Festivals ist. Die Green Stage gewinnt. Baroness sind lauter als Red Fang. Und während wir uns noch orientieren tun dies auch ein paar Walking Acts auf dem Festival. Eine Gruppe Außerirdischer ist gelandet, um die Menschheit auf dem Hurricane Festival zu studieren. Es sind Quassler vom Planeten Quassel. Andere Walking Acts erschrecken die Besucher und eigentlich alle Walking Acts posieren auf Wunsch für besondere Selfies. Mit den Walking Acts ist das Hurricane Festival damit in der deutschen Festivallandschaft wirklich einmalig.

Wir widmen uns wieder der Musik. Ruhiger als auf der Green und der Red geht es zu Passenger auf der Blue Stage zu, der natürlich auch seinen Hit "Let Her Go" performed. Auf Festivals ist mir Hau-Drauf-Musik aber lieber. Diese bieten Jimmy Eat World. Seit Jahren hat sich bei Jimmy Eat World an der Setlist nicht viel geändert. "Sweetness" darf genauso wenig fehlen, wie die Rockballade "Hear You Me" und der Überhit "The Middle". Auf dem Hurricane Festival gehört die Band zu den Lieblingen und so werden sie auch immer wieder nach Scheeßel gebucht.

Auf der Blue Stage laufen wir einmal an Kontra K. vorbei, um uns am BBQ-Stand vor der Blue Stage einen Schweinespieß zu holen. Der ist lecker. Das Essen auf dem Hurricane ist vielerorts hochwertig. Renner ist zum Beispiel der Lachsdöner und diverse Pulled-Pork-Gerichte. Die Macher vom Hurricane verstehen es, mittlerweile konsequent auf den Standardfraß von Pizza Mario und schlechtem Festivaldöner auf dem Infield zu verzichten. Leider müssen wir uns während wir fürs Essen anstehen dann halt auch die erst genannten Kontra K. anhören. Derbe Texte, die oft unter die Gürtellinie gehen überzeugen aber das junge Publikum.

Auf der Green Stage geht es aber glücklicherweise mit Rock weiter. A Day To Remember spielen. Und schon ein verheißungsvolles Intro kündigt eine grandiose Show an: "I am the stage, I am a big stage. Enjoy the show inside me.". Die Bühne lebt also und haut dem Publikum auch erstmal direkt zum Start massig Konfetti entgegen. Bälle folgen dem Konfetti und verwandeln das Publikum in kürzester Zeit in ein Spaßbad. Die Post-Hardcore-Band kann aber neben ihren lauten und schnellen Songs auch Balladen spielen. "If It Means A Lot To You" muss auf alle Fälle gespielt werden.

Blink 182 spielen direkt im Anschluss. Zwar spielt die Band ihre damaligen Hits, wie "The Rock Show" oder "What's My Age Again". Auch "All The Small Things" und "I Miss You" fehlen nicht. Dennoch können Blink 182 nicht mehr überzeugen. Man nimmt ihnen die Rolle des Berufsjugendlichen, die die mittlerweile sichtlich gealterten Musiker, selbst in ihren aktuellen Songs einnehmen wollen, nicht mehr ab. Und auch die Stimmen packen die hohen Töne nicht mehr. Das ist leider nichts mehr.

Besser dagegen sind die Editors, die nicht ganz so viel Publikum anlocken, wie Blink 182 und Linkin Park. Schon zum zweiten Mal ist die Band Headliner auf der Blue Stage des Hurricane Festivals. Neben ein paar neuen Songs spielen die Editors hauptsächlich Songs ihrer Alben "An End Has A Start" und "In This Light And On This Evening". Es sind die beiden Lieblingsalben der Fans. Na klar: "The Racing Rats", "Smokers Outside The Hospital Doors" und "Papillon", welches mit zum erfolgreichsten Material der Briten gehört, kommt genau von diesen beiden Alben. Hinzu kommt eine riesige Performance von Sänger Tom Smith, der sich auf der Bühne völlig verausgabt.

Während es auf fast allen Bühnen nahezu leer ist, tummelt sich bei Linkin Park ungefähr jeder Hurricane-Besucher. Alle wollen die Band sehen. Und auch Chester Bennington, der jahrelang von Dorgen schwer gezeichnet war, hat zu alter Form zurück gefunden. Dennoch: Enttäuscht wurden die Fans, die die alten Hits mögen. Zwar hielten Songs, wie "One Step Closer", "Breaking The Habit", "In The End" und "Numb" Einzug ins Set, aber auch sehr viele Popsongs aus den aktuellen Zeiten. Das hat mit Rockmusik nur noch wenig zu tun und gefühlt spielen damit auch nicht mehr die klassischen Linkin Park sondern eine Popband. Auf Pyroeffekte hat die Band anders als Green Day vollkommen verzichtet. Nachdem sie vom Veranstalter gebeten worden sind, hat man diese aus Rücksicht auf die Besucher, die angesichts der Terroranschläge der vergangenen Tage verängstigt sein könnten, aus der Show gestrichen.


Tag 3: Und weiter geht es mit mehr Regen

Der dritte und letzte Tag auf dem Festival besticht nochmal durch grandios schlechtes Wetter. In der Nacht hat es nochmal einen heftigen Schauer gegeben. Es kommt nun nicht mehr jedes Fahrzeug ohne weiteres vom Platz. Das Gelände gleicht nun endgültig dem Wattenmeer, nun aber bei einsetzender Flut. Mit Partymeile hat das nicht mehr viel zu tun. Aber das ist man in Scheeßel gewohnt und anders wäre es auch nicht das Hurricane Festival. Überall wo man hinschaut: Schlamm und Matsch. Hinzu kommt noch das Wasser, was in schöner Regelmäßigkeit weiter von oben kommt.

Die Besucher, die sich mittlerweile schon auf die Abreise vorbereiten, Zelte abbauen, Dinge zurück zu den Autos schleppen, kommen deswegen an diesem Tag auch nur schleppend auf das Festivalgelände. Das ist zwar schade für Bands, wie The Smith Street Band, die den Sonntag eröffnen, Moose Blood, Counterfeit und Kakkmaddafakka, die zwar alles geben, aber nur wenig Publikum erreichen. Die jenigen, die den Weg vor die Bühnen gefunden haben, kriegen aber trotzdem tolle und intime Rock- und Indie-Pop-Shows geboten.

Erst als die Party-Hip-Hopper der 257ers spielten wird es richtig voll. Und während diese Band Holland für eine Stadt hält, schaut man sich dann doch lieber die New Yorker Gypsy-Punks von Gogol Bordello an, die auf ihre Weise noch mehr Stimmung machen als die 257ers. Gogol Bordello machen auf der Bühne richtig Spaß. Der Balkan-Einschlag in ihren Songs macht die Musik sehr tanzbar. Außerdem nutzen sie den Laufsteg, der sich vor ihnen in einer noch größeren Höhe erstreckt, als in den Tagen zuvor, komplett aus.

Ebenfalls eine gute Party machen Die Kassierer, die für ihre sehr offenzügigen Shows bekannt sind. Mit Gogol Bordello hat das etwas weniger zu tun. Dafür mit Saufsongs, "Blumenkohl am Pillermann" und der Festivalhymne "Das schlimmste ist, wenn das Bier alle ist".

Richtigen und ernsthaften Rock'n'Roll bringen dagegen Wolfmother im Anschluss wieder auf die Bühne. Mit "Victorious" starten die Australier ihr Konzert und sind danach bis zum Abschluss mit Songs, wie "New Moon Rising", "Gypsy Caravan" und "Joker & The Thief" laut.

Den grandiosen und für den Festivalsonntag auch relativ späten Abschluss macht unser Bielefelder Jung': Casper! Erst am Donnerstag vor dem Festival hat er noch das Campus Festival Bielefeld geheadlined. Nun steht er vor über 70.000 Besuchern auf dem Eichenring. Für mich ist es einer dieser beeindruckenden Aufstiege, speziell, wenn ich bedenke, dass ich ihn vor ein paar Jahren noch im JZ Kamp in Bielefeld auf seiner XOXO-Tour vor 800 Besuchern gesehen habe. Headliner beim Hurricane zu sein, ist dann etwas sehr Besonderes. Mittlerweile hat Casper ein neues Album in den Startlöchern. Von diesem spielt er auch Songs, so zum Beispiel "Sirenen", welches seine Premiere erst ein paar Tage zuvor in der letzten Folge von Circus Halligalli hatte. Fehlen dürfen natürlich Songs, wie "So perfekt", "Im Ascheregen" oder "Hinterland" nicht. Mit "Endlich angekommen" gibt es dann aber ausgerechnet zum Ende einen Gänsehautmoment. Und ja Casper, du bist dort angekommen, wo du ankommen solltest.
Was für eine Geschichte: Vom Studenten mit der Nebenerwerbstätigkeit Thekenpersonal im Ringlokschuppen Bielefeld zum Headliner in Scheeßel, Chapeau!

Mit diesem Song endet dann auch das Festival. Ein Hurricane Festival 2017 welches relativ ruhig verlaufen ist. 78.000 Besucher haben sich auf das Festival verirrt und ihren Spaß gehabt. Bilanz: Ausverkauft! Strafdelikte hielten sich im zweistelligen Bereich auf. Rettungsdienstliche Einsätze ebenso. 2.500 Hilfeleistungen wurden durch das Deutsche Rote Kreuz angefordert. Die Helfer von Feuerwehr und Sanitätsdienst sprechen von einem sehr ruhigen Festival. Einzig und allein der Anreisestau sorgt weiterhin für Probleme. Und das Wetter war alles andere als optimal. Liebes Hurricane, die Engländer sagen es dir ja schon: Wer sein Festival so nennt, darf sich über das Wetter nicht wundern. Willst du dich nicht doch langsam mal in Summer & Sunshine-Festival umbenennen?

Der Termin für das Hurricane Festival 2018 steht schon. Vom 22. bis zum 24. Juni darf nächstes Jahr, hoffentlich bei besserem Wetter, in Scheeßel gerockt werden. Tickets sind ab 159 Euro in allen möglichen Preis- und Komfortkategorien erhältlich unter http://www.hurricane.de/de/tickets/tickets-2018/


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