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Datum: 22.07.2012

Anti-Flag im Interview

Chris Barker möchte ein wenig mehr "fickt euch" von Obama

Schloß Holte-Stukenbrock (ml)    Vor ihrem Auftritt beim Serengeti Festival interviewten wir Chris Barker, den Bassisten von Anti-Flag, über seine Einstellungen zur Politik von Barack Obama, über die Hilfe von Anti-Flag für die in Russland inhaftierte Band Pussy Riot und über ihre Erlebnisse beim Gig in Kuala Lumpur, Malaysia, am Anfang des Jahres.

Chris Barker wünscht sich ein wenig mehr "fickt euch" von Barack Obama. Foto: Marcel Linke

Ihr habt aktuell das "Free Pussy Riot"-Projekt am laufen. Pussy Riot ist eine russische Frauenpunkrockband, die dort aus politischen Motiven inhaftiert wurde. Was genau versucht ihr mit dem Projekt zu bewirken?
Es gibt verschiedene Ebenen auf denen man helfen kann. Auf einer Ebene kann man helfen indem man schlicht ein Bewusstsein für das Thema, "awareness" erzeugt. Der Fakt, dass vier Musiker aus Pittsburgh, die in einer Band spielen über diese Frauen, die in einem russischen Gefängnis sitzen, reden ist eine wirkungsvolle Idee. Es liegt in der Natur der Musik, die es uns erlaubt aufeinander aufzupassen, auch wenn wir die Texte und die Themen eventuell nicht verstehen. Aber wir verstehen, wenn man für seine eigene Meinung ins Gefängnis gesteckt wird ohne ein faires Verfahren, dann ist das etwas über das Gesprochen werden muss. Das ist das, was Anti-Flag macht. Wir versuchen Aufmerksamkeit für diese Frauen zu bekommen. Ich denke nicht, dass irgendjemand irgendwo auf der Welt für seine Ansichten ins Gefängnis gesteckt werden sollte. Wir spielen jetzt ein Benefizkonzert in Berlin (Anm. Red.: Seit gestern ist ein weiteres Benefizkonzert in Hamburg am 29.07. angekündigt.). Hier ist es schwierig herauszufinden, wo wir das Geld hinschicken müssen. Wir müssen vorsichtig und trickreich sein, um sicherzustellen, dass das Geld auch zu Pussy Riot kommt.

Ihr seid auch schonmal in Russland gewesen und habt dort Konzerte gegeben. Ist es sehr schwierig für eine Band, wie Anti-Flag, dort zu spielen?
Jetzt ist es das. Wir haben versucht dorthin zurück zu kommen, aber viele Veranstalter sind sich nicht sicher, ob sie uns aktuell helfen können. Interessant ist es, dass wir sehr erfolgreich sind in Moskau. Einige unserer größten Shows haben wir dort vor weit über 1.000 Besuchern gespielt. Wir waren in St. Petersburg, wir waren in Krasnodar, wir haben Festivals in Russland gespielt und wir meinten: "Okay, wir werden bald zurückkehren. Wollt ihr uns auftreten sehen?". Die Veranstalter meinten aber, dass sie nicht wissen, wie sie das machen sollen und dass sie die erforderlichen Visa nicht bekommen können. Ich finde es interessant, dass man in solchen Ländern Oppositionelle unterstützt und dann hinterher nicht mehr länger willkommen ist im Land.

Habt ihr ähnliche Probleme auch woanders?
Ja, in China zum Beispiel. Unsere Texte gelten dort als problematisch, so dass sie uns nicht erlauben aufzutreten. Wir haben es geschafft in Hong Kong zu spielen, aber auch dort sind wir als Touristen eingereist. Das war ein wenig unheimlich.

Das bringt mich zu meiner nächsten Frage. Ihr habt dieses Jahr auch in Kuala Lumpur, Malaysia, gespielt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich ein Konzert in Malaysia von einem Konzert in Deutschland unterscheidet?
Um ehrlich zu sein. Wenn man sich nur das Konzert an sich betrachtet, gibt es keine Unterschiede. Wir haben dort in einer Location gespielt, die ein Café war. Es wurden alle Stühle entfernt und eine Bühne aufgebaut. Es ist als ob man eine Punkrock Show in Berlin, München oder woanders in Deutschland spielt. Die Leute dort sind quasi die selben. Sie lieben Punkrock. Sie denken in einer bestimmten Art und Weise über die Welt nach, es gab keinen Rassismus, keinen Sexismus. Es waren nur Leute, die zusammen gefeiert haben.
Die größten Unterschiede, die wir festgestellt haben, waren unsere Reisen in dem Land. Es ist definitiv eine unterdrückte Bevölkerung in dem Land. Man sagte uns: "Wir dürfen nichts schlechtes über den König sagen, sonst landen wir im Gefängnis.". In Kuala Lumpur gibt es sogar eine eigene Occupy-Bewegung. Jedes Mal, wenn sich diese Bewegung aufbaut, wird sie immer gleich zerschlagen. Niemand möchte sich da mit der Polizei anlegen.
Auf der anderen Seite haben wir einen Soundcheck gemacht und wir mussten für ein Gebet stoppen. Das ist etwas, was wir bisher noch nie so irgendwo anders, wo wir waren, gesehen haben. In dem Moment wussten wir vier Amerikaner nicht, was wir machen sollten.

Ich denke, dass ihr auch mit einigen Punks dort gesprochen habt. Weißt du, inwiefern die Punks in Malaysia durch den Staat unterdrückt werden?
Es war eine der beeindruckendsten Erfahrungen in meinem Leben, eine DIY-Punkrock Show in Kuala Lumpur zu spielen. Es war ein Saal für 100 Besucher. Wir mussten durch den Hintereingang in die Location, weil die Polizei den Ort die gesamte Zeit abgeriegelt hat. Es gibt keinen Vordereingang mehr, man muss sich durch den Hintereingang schleichen. Auf der Oberfläche sieht es zwar sehr kaputt aus, aber hat trotzdem funktioniert. Ansonsten denke ich, dass sich das Land weiter entwickelt. Es ist nicht mehr so, dass man als Punk von der Polizei verprügelt wird. Außerdem wurde auch jede Show umjubelt. Dann war da noch eine sehr großartige Band Shh... Diam!. Eine beeindruckende Frauenband aus Malaysia. Es fühlte sich genauso an, wie die Szene in Pittsburgh, so lange man auf der Show war. Wenn man nach draußen ging, sah man alle kulturellen Differenzen. Im Herzen finden wir Punkrock aber alle aus den selben Gründen gut. Wir sind alle ein bißchen kaputt und ein bißchen verrückt. Überall ist das gleich.

Am Ende des Jahres sind die Präsidentschaftswahlen in den USA...
...Am Ende der Welt...

Was ist deine Meinung ob es Obama oder eher nicht Obama werden sollte?
Mitt Romney gegenüber Obama zu bevorzugen ist als ob man kein Gehirn hat. Es muss definitiv Obama sein. Wie auch immer könnte es auch sein, dass Romney zu den Wahlen vor Obama liegt. Es ist angsteinflößend an Romney als Präsident zu denken. Es gibt nur wenig andere Amerikaner, die so abgehoben sind, wie Mitt Romney. Er ist der Falsche für die Probleme, denen Amerika und die Welt gerade gegenüber steht. Es fühlt sich falsch an einen Typen wie ihn, der sich nie Geldsorgen machen musste, als Präsident zu haben.
Ich hoffe, dass Mitt Romney verliert, aber ich bin auch nicht dafür, dass Obama gewinnt. Es gibt zu viele Kritikpunkte, die ich an den letzten Wahlen hatte. Vielleicht verdienen diese Narren auch Mitt Romney. Es macht mich zwar ärgerlich so zu denken, aber wir waren damals auch bei der "Rock gegen Bush"-Kampagne dabei um die Wiederwahl von Bush zu verhindern, trotzdem wurde er für vier weitere Jahre gewählt. Er hat das Land in den Sand gesetzt. Er hat alle Prophezeiungen, die jeder mit Gehirn kommen gesehen hat, erfüllt.
Und dann kam Obama und wir dachten, dass das der Start einer neuen Ära ist. Ich wollte Obama für die Sachen, die er getan hat, aber dann gibt es auch noch so viele Dinge, die er nicht getan hat, was es ganz schwierig macht ihn als Sieger zu sehen. Als er in sein Amt eingeführt wurde hat er gesagt, dass er Guantanamo Bay schließen wollte. Aber es ist immer noch offen. Die allgemeine Krankenversicherungspflicht ist auch nur ein bißchen besser, als das System was wir davor hatten.
Das sind viele Dinge, die mir nicht gefallen. Aber ich möchte ihm auch dafür applaudieren, dass er die Truppen aus dem Irak zurück geholt hat. Das war ein geschickter Zug, aber das kann auch nicht alles sein.
Er ist sicherlich nicht die Lösung, vielleicht ist auch die Lösung die Schlüssel an Romney zu geben und das Auto vor die Wand zu fahren. Vielleicht sollte man auch Dennis Kucinich die Chance geben.

Also bist du nach der ersten Periode sehr enttäuscht von Obama?
Auf der einen Seite bin ich zwar nicht geschockt, aber auf der anderen Seite bin ich doch sehr niedergeschlagen. Ich bin zur Amtseinführung von Obama gegangen und es fühlte sich damals doch sehr großartig an. All die Leute haben gefeiert. Er sprach von vielen Sachen, die mich angesprochen haben, wie der allgemeinen Versicherungspflicht, dem Ende des Krieges oder der Schließung von Guantanamo Bay. Das hat er vor all diesen Leuten gesagt.
Aber nichts davon geschah und wir wundern uns wieso. Wo ist diese Unterbrechung zwischen dem, was er gesagt hat, was die Leute auch klar gewollt haben, und dem was er getan hat? Dadurch hat er der anderen Seite Zeit gegeben, sich zu mobilisieren und darüber nachzudenken. Wenn man sich alle republikanischen Präsidenten ansieht, hieß es immer enthusiastisch: "Wir ziehen in den Krieg.". Und die Demokraten: "Wir denken nicht, dass wir das tun sollten." Und die Republikaner: "Fickt euch.". Sie machen es trotzdem. Ich möchte ein wenig mehr "fickt euch" von Barack Obama. Er sollte diese Macht nehmen, die ihm gegeben worden ist und sie nutzen. Aber er tat es nicht.

Unsere Kanzlerin ist nicht so machtvoll wie der us-amerikanische Präsident. Es ist sehr schwierig für uns uns vorzustellen, dass eine Person so viel Macht über so viele Menschen hat. Denkst du, dass es ihm möglich ist, solche Dinge als Einzelperson zu tun?
Nur, weil wir schon viele Präsidenten, wie Nixon, Reagan oder Bush gesehen haben, die den Kongress einfach ignoriert haben. Sie haben die Sachen einfach gemacht.

Aber Obama ist Demokrat. Hier ist es so, dass Merkel immer neue Gesetze am Bundestag vorbei drückt, die hinterher vom Bundesverfassungsgericht einkassiert werden.
Ja, es ist auch sehr unglücklich in den USA, dass alles, was Obama macht vom Kongress kaputt geschossen wird. Nach dem Bush-Regime hat Obama zu lange gezögert bis sich der Staub gelegt hat. Und da gab es dann schon die ersten Nachfragen, ob man dieser Person wirklich all diese Macht hätte geben sollen. Es wurde dann vieles dem Kongress überlassen und geguckt, was passiert ist und alles wurde gestoppt. Aber er wurde gewählt, um eben diese Dinge durch den Kongress zu bringen und er hat es nicht geschafft. Ich sehe eine schwere Zeit auf ihn zukommen, noch einmal so viele Wähler zu mobilisieren. Aber ich denke, dass es eher so sein wird, dass sich viele Menschen gegen Romney statt für Obama entscheiden.

Vielen Dank für das Interview.

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