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Les Ardentes 2013

60000 Besucher tanzten munter in der Maasmetropole zum Rhythmus der Musik.

Lüttich/Belgien (sd)    Das Festival im Zentrum Lüttichs zog auch dieses Jahr wieder die Menschen an, obwohl, oder gerade weil das Lineup sehr frankophon geprägt war. Die ganz großen Internationalen fehlten in diesem Jahr. Wo in den letzten Jahren Namen wie Marylin Manson, Snoop Dogg oder Patty Smith prangten, standen in diesem Jahr die von hauptsächlich lokalen oder frankophonen Künstlern. Ein paar internationale Highlights fehlten aber trotzdem nicht.

'NAS' bei einem Auftritt beim Festival Les Ardentes 2013/Lüttich am 11.07.2013. Foto: Sven A. Droste

Frankophon ist ja schon immer ein Thema im wallonischen Teil Belgiens. Für den Besucher, der keine oder nur rudimentäre Kenntnisse der französischen Sprache hat, ist ein kommunikatives Abenteuer vorbestimmt. Wobei Abenteuer per se nichts schlechtes sind, wenn man sich darauf einlassen will.

Bilder vom Donnerstag

Bilder vom Samstag
Bilder vom Sonntag
Hompage Festival Les Ardentes
 

Generell ist aber an dem Klischee, laut dem der Franzose, oder besser der Frankophone jegliche Existenz anderer Sprachen abstreitet, schon ein Fünkchen Wahrheit dran. Der meist gesagte Satz an diesem Wochenende war jedenfalls eindeutig "Ich spreche kein Französisch. Sprechen die Englisch, oder kennen jemand der es kann?" Dicht gefolgt von "Guten Tag, wie geht's?" und "Einen Kaffe mit Milch und Zucker bitte." Ein kleines Bisschen Französisch geht halt schon und alle waren immer sehr offen für kommunikative Experimente.

Wie in den letzten Jahren, ging das Festival auch in diesem über vier Tage, obwohl auch hier das Programm etwas ausgedünnt worden war. Statt der zwei Electroabteilungen gab es heuer nur eine und diese auch nur an 2 Tagen.

Das wichtigste spielte sich jedoch auf und vor den beiden Hauptbühnen ab.

Zum Beispiel standen die Vismets (Bilder) am frühen Donnerstagabend auf der HF6 Bühne. Quasi die in-door Bühne des Festivals in einer riesigen Messehalle, denn das Festival fand wie in den letzten Jahren auf dem Gelände der Foir de Liège statt. Die Brüsseler Band um den Sänger und Gitarristen Dan Klein singt trotz wallonischen Wurzeln auf Englisch und hatte vor der Bühne eine Menge junger, feiernder Fans versammelt, die sich von den Songs der fünf auf der Bühne begeistern ließen.

Im Anschluss auf der open-air Bühne stand Miguel (Bilder). Der 28 Jährige aus Los Angeles stammende Sänger wird als Kronprinz des amerikanischen R'n'B gehandelt und gab sich auch entsprechend auf der Bühne. Große Gesten, ein makelloses Selbstbewusstsein und ein klein wenig zu viel Pathos waren, abgesehen von einer Sangeskunst, die Eckpfeiler seiner Show, aber gut gemacht bleibt gut gemacht und so überzeugte Miguel, der eine kleine aber unglaublich tighte Band im Rücken hatte.

Wieder drinnen waren es die Pariser von BB Brunes (Bilder) mit ihren französischen Titeln keinen langen Kampf und die Gunst des Publikums führen mussten. Sie stellten dem Lütticher Publikum die Songs ihres Ende 2013 erschienenen Album Long Courrier vor und festigten auch in Belgien ihre Position als Lieblinge der französischen Pop/Rock Szene und den Ruf einer guten Liveband.

Open-air standen alle Zeichen auf Hip-Hop, guter alter oldschool Hip-Hop. Turtables, MC und zur Unterstützung noch ein Percussionist. Mehr braucht es nicht für eine Hip-Hop Show, vor allem nicht, wenn Nasir bin Olu Dara Jones alias NAS (Bilder) für den richtigen Flow sorgt. Fette Beats und eine respektvolle Reminiszenz an die leider schon zu früh verstorbenen Großen des amerikanischen Sprechgesangs sorgen für großartige Stimmung und ein bouncendes Publikum.

Der Freitag musste leider aus technischen Gründen unbeobachtet über die Bühne gehen. Hier nochmal einen schönen Gruß an die gelben Engel vom ADAC. So ging es also leider erst am späteren Samstag weiter.

So mancher Hals-Nasen-Ohrenarzt würde behaupten, dass da gar keine Stimme mehr ist. Aber genau diese raue Zerbrechlichkeit in der Stimme von Lou Doillon (Bilder) macht die Musik der Tochter von Jacques Doillon und Jane Birkin so besonders. Die Frage nach der Berechtigung nach noch einem singenden, schauspielernden Model stellt sich nicht, wenn man Lou Doillon auf der Bühne erlebt hat. Charmant, hübsch anzusehen und vor allem schön anzuhören war die wenig prätentiöse Darbietung der jungen Französin auf jeden Fall.

Wenn es um französischen Rock geht, dann kommt man an Eiffel (Bilder) einfach nicht vorbei. Mit “Foule Monstre”, dem fünften Album, im Gepäck gingen Estelle und Romain Humeau, sowie die beiden Nicolas Bonnière und Courret auf die HF6, die Bühne in der Messehalle 6. Dass sie es dem Publikum zeigen wollten, daran ließen sie von Anfang an keinen Zweifel. Eiffel und besonders Romain Humeau zeigten eine sehr nach vorn gerichtete, wenn nicht sogar aggressive Show. Gut war es und sympathisch sind sie auch, schon allein weil sie sich nach dem Pixies Song Alec Eiffel benannt haben.

Man nehme etwas royalen Charme gepaart mit einer guten Priese Arbeiterattitude, eine Bühne und ein hungriges Publikum und wenn die Kaiser Chiefs (Bilder) dann auf die Bühne gehen, dann kann man was erleben. Ricky Wilson muss wohl vor dem Gig einige doppelte Espressi gekippt haben, den er war unermüdlich. Schon beim zweiten Song war er an und auf der Barriere, um ganz nah beim Publikum zu sein, was den Leuten auf Anhieb gut gefiel und sie ihr gar nicht mehr gehen lassen wollten. Ricky machte während der Show Kilometer, und das nicht nur in der Horizontale, den rechten Bühnenpfeiler kletterte er samt Mikrophon auch noch zu drei Vierteln hoch und unbeschadet auch wieder herunter. Nach der Stunde, die sie auf der Bühne hatte war er am Schluss ganz schön platt, aber es hatte sich auch voll und ganz gelohnt. Gute Show von den Jungs von der Insel.

Der Act, der als nächstes in der Halle auftrat, ist eine echte Hausnummer der französischen Pop beziehungsweise Hip-Hop Scene. Oxmo Puccino (Bilder) brachte seine französischen Flows gänzlich ohne die gängige Gangstermasche. Sein Auftreten erinnerte eher an einen Soulsänger. Nichtsdestotrotz war es eine Rap Show und die Crowd bouncete was das Zeug hielt.

Den letzten Auftritt für den Samstag auf der open-air Bühne machten dEUS (Bilder). Seit Jahren sielen die Antwerpener im internationalen Musikgeschäft mit und in Lüttich hatten sie dennoch ein Heimspiel. Sie mussten sich allerdings etwas warmspielen und so kamen Tom Barman und seine Kollegen von Song zu Song mehr in Schwung und gipfelten in einem Grandfinale mit unzähligen Fans um sie herum.

Hooverphonic (Bilder) stellten den Sonntag optisch und musikalisch auf ein anderes Niveau. Mit einem vollen Orchester im Rücken waren Hooverphonic die Band mit den meisten Musikern des Festivals und sie hatten einen unvergleichlichen und auch fetten Sound. Der Trip-Hop Schublade sind Hooverphonic auf jeden Fall entwachsen, da ist schon noch das ein oder andere Genre mehr, das bemüht wird und mit Orchester bekam das Ganze noch ein ganz anderen Flair.

Piano Club (Bilder) sind ein Kind der Stadt, aufgewachsen beim Label/Kollektiv JauneOrange, wo jeder mit jedem rummacht - natürlich im musikalischen Sinne. So war es auch kein Wunder, dass sie in ihrer Stadt auf großen Zuspruch stießen, als sie auf der HF6 Bühne in die Vollen gingen und vor der Bühnen von kreischenden Mädchen empfangen und gefeiert wurden.

-M- (Bilder), hinter diesem Pseudonym versteckt sich Mathieu Chedid. Als er am Sonntagabend auf die Bühne kam, stand er zuerst ganz allein dort. Gekleidet in einer Phantasieuniform mit einer ausladenden Brille, die die Strahlen des Verfolgerspots surreal in alle Richtungen brach. Ein klasse Bild, das auch die Zuschauer begeisterte. Das Konzert von -M- zeichnete sich neben der soliden musikalischen Performance durch eine ausgefeilte Show aus, wo bei Licht, Ton und auch Tanz wie ein Rad in das andere griff.

Les Ardentes 2013, das war etwas anders als, man es aus den vorhergegangenen Jahren kannte. Weniger Internationale Namen, weniger Bühnen, weniger Shows, aber auch weniger Regen und alles in allem ein interessantes Lineup, das einen dazu genötigt hat sich mit neuen, oder besser in Deutschland unbekannteren Künstlern auseinanderzusetzen. Es ist schon komisch, das bei dem ganze internationalen Musikding in einem Nachbarland eine Musikscene existiert, die einem so gänzlich unbekannt ist. Wieder ein Grund mehr öfters über den Tellerrand oder die Landesgrenze zuschauen und sich nicht nur darauf zu verlassen und beschränken, was einem die Mainstreammedien so mundgerecht, oder besser ohrengerecht einflüstern.


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