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Popsalon # 4

Alles war schön und nichts tat weh

Osnabrück (mer)    Da freut man sich monatelang auf den Start seiner persönlichen Festivalsaison und nach drei durchzechten Tagen ist schon wieder alles vorbei. Alles war schön und nichts tat weh. Wir bleiben Stammgäste und hoffen auf ähnlich gelungene Veranstaltungen in 2014, 2015, 2016...

Die Lagerhalle war für viele Festivalgänger der tägliche erste Anlaufpunkt. Foto: Mark Haake

Festival-Tag 1

Die Eröffnungszerrmonie des Popsalons obliegt in diesem Jahr dem Krefelder Patrick Richardt (Fotos). Der Startschuß fällt, wie an jedem Abend die kommenden drei Tage, in der Osnabrücker Lagerhalle.

Auch wenn die Location nur gut zur Hälfte gefüllt ist, Angst vor dem "wehenden Heuballen", wie die Band später am Abend witzelt, brauchen die Männer um Richardt nicht zu haben.
Den Opener gibt Richardt zunächst solo, um mit dem zweiten Song des Abends (Wir segeln) und voller Bandstärke in

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die Vollen zu gehen. "Knyphausen + Ton, Steine, Scherben + Bob Dylan + Bright Eyes", so wird Patrick Richardt von seiner Plattenfirma im Jahr 2013 vollmundig beworben. Treffendere Referenzen dürften jedoch vor allem Kettcar, Tomte und insbesondere Thees Uhlmann sein, wie wir im weiteren Verlauf des Abends feststellen dürfen. Da haben die letzten Supportgigs wohl ihre Spuren hinterlassen. Habitus, Gestik und Mimik erinnert mit fortschreitender Dauer dann doch immer stärker an den deutschen Bruce Springsteen, Thees Uhlmann. Und auch die textliche Nähe einiger Songs drängt diesen Vergleich geradezu auf, schließlich singen sowohl Patrick Richardt als auch Tomte von einem Herzen, das so schwer ist wie ein Planet.
Im Fokus des Abends steht natürlich die Debütplatte "So, wie nach Kriegen". Der 40-minütige Longplayer reicht tatsächlich für eine Stunde Spielzeit aus und am Ende wird jeder Besucher sein persönliches Richardt-Lieblingslied gehört haben. Schließlich ist die Band inzwischen professionell genug, ihren Gigs einen entsprechenden Spannungsbogen zu verpassen, so dass ca. nach einer Dreiviertelstunde die "Zuhörsongs" von den "Mitsingsongs" abgelöst werden. Dann noch zwei Zugaben, allerdings ohne den "Quatsch" mit von der Bühne gehen, und am Ende bedankt man sich beim "sehr aufmerksamen" Publikum, welches auch wir als sehr angenehm empfunden haben.

Als zweiten Act des Abends bekommen wir Honig (Fotos), sowohl bildlich als auch in Person. Stefan Honig und seine Band, beheimatet bei Haldern Records und buchbar über das Label mit den vier Buchstaben der Hamburger Musikkollegen, spielen heute den zweiten Gig ihrer 2013er April Tour, welche am Abend zuvor beim Heimspiel in Düsseldorf eröffnet wurde. Da jedenfalls noch mit weiblicher Begleitung und Glockenspiel. Die Niedersachsen müssen jedoch mit der abgespeckten Bandbesetzung vorlieb nehmen, denn "Glockenspiel-Julia" ist auf dem Weg nach Amerika. "Tja, das hätten wir wohl lieber nicht sagen sollen, denn jetzt seid ihr alle enttäuscht" stellte die Band schnell fest. Vielleicht hätten sie auch besser nicht erwähnt, dass ihre limitierte 7-Inch Vinyl erst einen Tag später auf Tour verkauft werden wird, da sie im Presswerk steckengeblieben ist. Abgesehen von diesen "Bad-News" liefern Honig keinesfalls Gründe zur Entäuschung. Klasse Songs, gute Arrangements. Es ist also kein Wunder, dass sich Honig-Songs in diversen Best-of und Jahrespolllisten von 2012 wiederfinden. Allen voran natürlich der Überhit: "For those lost at sea". 2013 könnte dieser Platz von "In my drunken head" (ja genau, die limitierte 7-inch) eingenommen werden.
Zwischendurch gibt es immer wieder nette Ansagen und kleine Anekdoten, so dass man sich fragt, warum haben wir diese Band bisher nicht auf dem Radar gehabt. Zum Bandnamen passend verstehen sich die Jungs natürlich auch darin, ihrer Zuhörerschaft "Honig um den Bart zu schmieren": "Wir spielen jetzt das fünfte Mal in Osnabrück und haben noch nie in einem Laden zwei mal gespielt. Das spricht für die tolle kulturelle Vielfalt dieser Stadt". Und treffender kann man einen Gig auch nicht beenden wie mit dieser Aussage: "Wir waren Honig und ihr wart geil!"

Um sich dann nochmal die "kulturelle Vielfalt" von Osnabrück vor Augen zu führen , konnte man sich nun im Anschluss noch auf den Weg in die kleine Freiheit machen. Die ehemalige Kantine der deutschen Bundesbahn präsentierte an diesem Abend die ehemalige deutsche Pop Rock Band Superpunk – oder zumindest Teile davon, die jedoch klangen wie – eben Superpunk. Nur hört man inzwischen auf den Namen Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen (Fotos). Im Fokus stehen die Songs des ersten Longplayers der Band, welche sich vorwiegend mit dem Thema "Spiel", oft gar mit der schönsten Nebensache der Welt, befassen. Was bei den Sportfreunden über Albumlänge (You have to win Zweikampf) bereits kräftig in die Hose ging, führt auch hier ab dem dritten Song zu einer gewissen Eintönigkeit. Und auch die Refrains, welche stets aus einem Satz bestehen und sich immer wiederholen (Nimm mich mit zum Spiel), wirken auf die Dauer etwas ermüdend. Zum Glück gibt es noch die Ansagen und Anekdoten von Sänger Carsten Friedrichs, welcher mal wieder aus dem Nähkästchen des ewigen Touralltages plaudert. Geschichten von Gunter Gabriel oder den Verkaufskünsten eines uns gut bekannten Bernd Begemanns, welcher den Gentlemen einen Gitarrenamp untergejubelt hat, der auch mal einen Sturz aus einem halben Meter überleben darf. Und genau das tat er an diesem Abend zunächst nicht: Das ist der Vorführeffekt. Als Rache haben sich die Gentlemen erst mal an einem Begemann Stück vergangen und ab der Zugabe durfte man auch alte Superpunk Zeilen bejubeln.

Festival-Tag 2

Am zweiten Festivaltag eröffnet die Lokalmatadorin Luca (Fotos) den musikalischen Reigen in der Lagerhalle. Schöne ruhige Klänge, mit zwei Gitarren und einem Streichinstrument. Zur Abwechslung wird auf Deutsch und Englisch gesungen. Und auf deutsch liegt der Vergleich zu Judith Holofernes auf der Hand. Nach knapp 40 Minuten Spielzeit in einer äußerst gut besuchten Lagerhalle begibt sich Sängerin Luca ins Foyer der Lagerhalle, um CDs zu verkaufen und Autogramme zu schreiben. Und am Ende gibt es noch ein versprechen zum Wiedersehen: auf der Osnabrücker Maiwoche wird Luca dabei sein.

Normalerweise würde an dieser Stelle noch etwas zu Sophie Hunger stehen, welche den Frauenabend in der Lagerhalle fortsetzte. Nach dem öffentlichen Diss gegen die anwesenden Fotografen, haben wir uns aber dagegen entschieden. Aber auch gar nicht schlimm, die Party am Freitag fand nämlich in den anderen drei Locations statt.

Zum Beispiel im Haus der Jugend, wo der Hip Hop Newcomer Käptn Peng (Fotos) für ein volles Haus sorgte und über eine Spielzeit von zwei Stunden voll zu überzeugen wusste.
Mit Masken verdeckt kamen Käptn Peng und die Tentakel von Delphi auf die Bühne. Die waren zum Glück des Publikums aber schnell weg. Denn neben genial-witzigen Lyrics, weiß Käptn Peng, bürgerlich Robert Gwisdek und bekannt aus Filmen, wie "NVA", "Neue Vahr Süd" oder "13 Semester" auch durch seine Mimik auf der Bühne zu überzeugen.
Zusätzlich untermalt seine Band das Konzert mit einem Soundteppich aus Kontrabass, halbakkustischer E-Gitarre, Pauke und Percussions, so sehr, dass es nichtmal mehr auffällt als zu einigen Songs, die Käptn Peng nicht alleine, sondern mit seinem Bruder Shaban, die Musik nur von Band kommt.
Beeindruckend sind nicht nur die Texte von Songs, wie "Der Anfang ist nah" oder dem "Pelikanmutationsgesang", auch die Performance zu den Songs hält immer wieder Überraschungen bereit. Zu "Sockophilie" spricht der Herr Gwisdek dann mit einer, auf seiner Hand sitzenden, Socke. Es entwickelt sich ein Dialog über das Leben und das Universum. Ein Song, der es auf 10 Minuten schafft. Und nicht nur einer. Über viele Songs von Käptn Peng entwickeln sich solche Handlungsstränge, dass fast kein Song unter 5 Minuten aufhört und einige die magischen 10 Minuten knacken.
Ganz klar gehört Käptn Peng mit zu den Favoriten des Festivals.

Neben dem Haus der Jugend stieg auch das Glanz und Gloria an diesem Abend ins Festivalgeschehen ein.
Eine solide Rockshow und den Ausklang des zweiten Festivaltages liefert hier Cosmo Jarvis ab. Cosmo Jarvis sieht aus, wie der Sunnyboy, der einem die Mädels im Urlaub weg schnappt. Musikalisch macht er eine Mischung aus Reaggae, Punkrock und Country. Hier trifft Jack Johnson auf Hot Water Music. Interessant. Im Gesamtbild passt dies in die Kellerbar des Glanz und Gloria und samt Beleuchtung kann man sich dann auch vorstellen, dass draußen direkt der Strand und das Meer auf einen warten.

Mit großer Spannung erwartet wurden auch die Gigs in der Kleinen Freiheit an diesem Abend. Mit Sizarr und Retro Stefson konnte man zwei absolute Kritikerlieblinge nach Osnabrück locken.
Um 21:30 begann die Stagetime von Sizarr (Fotos) und die drei Jungs aus Landau wussten trotz immenser Vorschusslorbeeren zu überzeugen. Die Redakteure von Spex, Intro, ME oder Visions beweisen also allesamt guten Geschmack und feiern diesen Hype zu Recht. Und auch die jüngsten Charts Erfolge scheinen verdient. Die ehemalige Schülerband beweist an diesem Abend, dass sie bereit ist, durchzustarten. Befreit von lästigen Schulpflichten kann nun die Welt erobert werden. Und das werden die Jungs auch schaffen, mit ihrem Sound, der nach weiter Welt klingt, nach The XX oder The Postal Service.

Wir würden noch weiter von Sizarr schwärmen, wären an diesem Abend nicht noch die Isländer von Retro Stefson (Fotos) aufgetreten. Müssten wir einen Gewinner des Popsalons küren, er käme dieses Jahr wohl aus Island. Das Septett, welches inzwischen nach Berlin übergesiedelt ist, macht aus der kleinen Freiheit innerhalb weniger Minuten den wohl hottetsten Dancefloor des gesamten Festivals. Sänger Unnstein ist definitiv eine dieser viel zitierten Rampensäue, die einen ganzen Laden zum Mitgehen bewegen können - selbst sturmfeste und erdverwachsene Niedersachsen, wie man an diesem Abend schnell merken kann. Das ganze Treiben auf der Bühne wirkt auf den Zuschauer eher wie ein überdimensionaler Jam. Da haben sich halt sieben Leute mit ihren Instrumenten getroffen um mal gemeinsam zu musizieren – und wir dürfen alle mitmachen, mitsingen, mitspringen. Der Sound ist wohl am ehesten so etwas wie Weltmusik, bei Liedtexten auf Englisch, Portugiesisch und Isländisch auch naheliegend. Die ganze Darbietung atmet den Geist der sehr frühen Vampire Weekend. Wer sich hierauf einlässt, hat einen super Abend.
Zugegeben, auf CD fällt die Band doch deutlich ab, aber das Liveerlebnis ist bei Retro Stefson eines wie es nicht schöner sein könnte.

Festival-Tag 3

Den finalen Popsalontag durfte an diesem Abend die Band Trümmer (Fotos) eröffnen. Die sehr junge Band hat den Slot als Contest Gewinner des Sponsors Grolsch (ein sehr schönes Bier, welches in einer recht seltenen 0,45l Bügelflasche verkauft wird) bekommen. Obwohl "nur" Contest Gewinner, passt die Band hervorragend ins Gesamt Line Up. Blumfeld, Sterne, Tocotronic – Hamburger Schule meets College Rock. Einen ersten Fingerzeig haben Trümmer mit ihrem Auftritt getan, wir werden von nun an die Augen und Ohren offen halten.

Um 21:00 durften dann endlich die Schotten von We were promised Jetpacks (Fotos) ihren Gig von vor zwei Jahren nachholen (Damals musste die Band den Auftritt kurzfristig aus Krankheitsgründen absagen). Dass die Band inzwischen über eine richtige Liebhaberfangemeinde verfügt, zeigte sich an diesem Abend an der großen Zahl von Einzelticketbesitzern. Und davon waren viele zum Zuhören vor Ort und einige wenige zum Abgehen gekommen. Und irgendwie ist es auch immer ein seltsames Bild, wenn sich in der Lagerhalle ein Moshpit bildet. Klein aber fein, intensiv aber höflich. Was auf das Publikum zutrifft, spiegelt auch die Band an diesem Abend wieder. Ansagen und Animation bleiben Mangelware, das musikalische Schaffen steht im Fokus, natürlich inklusive "Quiet little voices".

Wer nach dem schottischen Vierer immer noch Luft hatte, der machte sich während der letzten Klänge in der Lagerhalle bereits auf den Weg in eine der anderen Osnabrücker Locations. Zum Beispiel in das Osnabrücker Haus der Jugend. Hier sollte mit Frittenbude (Fotos) schließlich einer der größten Namen im Line Up aufspielen. Die Völkerwanderung zum Haus der Jugend blieb jedoch aus und als Frittenbude um exakt 22:34 die Bühne betraten, wunderte man sich schon etwas ob der Leere des Saals. Wie wenig muss dann bitte bei Fuck Art Let´s Dance hier losgewesen sein?
Nichtsdestotrotz, diejenigen die für die Frittenbude nach Osnabrück gekommen waren, ließen sich das Feiern nicht verbieten. Hüpfen, Springen, Pogo, Circle-Pit – das komplette Festivalsportprogramm wurde durchexerziert. Die Motivation im Zuschauerraum war hoch, die auf der Bühne würden wir wohl eher mittel einschätzen. Ob es daran lag, dass die drei Jungs aus Bayern seit drei Monaten keinen Auftritt mehr hatten? Zu routiniert und monoton wirkte der ganze Ablauf ihrer Show. Ob da jetzt eine CD läuft oder die Band Frittenbude plus drei tanzender Maskottchen auf der Bühne zum Rave animieren…einen Unterschied hätte es vermutlich nicht gemacht. Auch Singlehits wie "Bilder mit Katze" oder "Wings" bilden zunächst keine besonderen Highlights. Somit werfen schon viele Besucher deutlich vor Konzertende ihren Hackenporsche an und wandern noch kurz vor Festivalende ins Glanz und Gloria (Robots don´t sleep) oder in die kleine Freiheit (Laing).

Kommt man in die kleine Freiheit zu Laing (Fotos) könnte man sich fast vorkommen, als ob man nicht mehr auf dem Festival ist. Hier hat sich das Publikum von den Musikinteressierten zum Groupietum verändert. Neben Frittenbude dürften Laing mit ihrem Hit "Morgens immer müde" aber auch mit die bekannteste Band des Festivals sein.
So ist es nicht verwunderlich, dass die kleine Freiheit gerappelt voll ist zum Konzertbeginn des Quintetts, dass aus drei Sängerinnen, einer Tänzerin und einem Schlagzeuger besteht. Kreischende Mädels in der ersten Reihe inklusive.
Die Bühne ist insgesamt sehr spartanisch gehalten. Die einzige Beleuchtung haben die Musikerinnen in Form von Leselampen über ihren Mikrofonständern aufgebaut. Dadrunter führen sie eine Tanzdarbietung vor, die von ihrem Gesang und der minimalistischen Musik untermalt ist. Das mag in den ersten Reihen vielleicht noch gut aussehen. Weiter hinten bleibt in der kleinen Freiheit jedoch nur noch die doch sehr eintönige Musik übrig, die erst sehr spät ihren von vielen Anwesenden erwarteten Höhepunkt in Form von "Morgens immer müde" erreicht.

Insgesamt war der vierte Popsalon wieder ein Riesenerfolg, egal ob Zuschauerzahlen oder Stimmungsbarometer, die Pegel der jeweiligen Indikatoren dürften weit im positiven Bereich zu verorten sein. Auch die neue Location, das Haus der Jugend, stellt eine sinnvolle Ergänzung des kleinen Clubfestivals dar. Es scheint also alles bereit für das kleine Jubiläum im Jahre 2014: 5 Jahre Popsalon vom 10. bis zum 12.04.2014


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